Bezirksverband der Kleingärtner Berlin-Hohenschönhausen e. V.
Aktuelles aus dem Verband
zurück zur Übersicht

Dieser Beitrag wurde verfasst von:

Für den Inhalt dieses Beitrags ist ausschließlich der Verfasser verantwortlich.

Zum Beitrag des Verfassers
Verfasst am 02.04.2024 um 16:46 Uhr

Investoren auf Parzellenjagd    

Privateigentümer wollen Berliner Kleingärten umwandeln – und unterliegen teils vor Gericht   

Berliner Kleingärtnerinnen und Kleingärtner haben in vielen Fällen eine unsichere Zukunft: Ob sie ihre Parzellen in fünf oder zehn Jahren noch bearbeiten können, hängt oft von Bebauungsplänen, städtebaulichen Projekten und Verkehrsplanungen ab. Für die rund 20 Prozent Kleingärten auf privaten Flächen ist die Ungewissheit noch größer: Hier sind die Pächterinnen und Pächter immer wieder von Bodenspekulation betroffen, wenn die Eigentümer mit ihren Flächen mehr Profit machen wollen, als es der Pachtzins für Kleingärten hergibt.


Meinert Klemm kann ein Lied davon singen. Der Geschäftsführer der Bahn-Landwirtschaft Berlin hat erlebt, wie die Deutsche Bahn in den letzten Jahren nach und nach ihre Kleingartenflächen veräußerte – in einigen Fällen an private Immobiliengesellschaften. „Wenn unser ursprünglicher Eigentümer die Flächen verkauft, geht oftmals der Ärger los“, sagt Klemm. Doch derzeit kann er zufrieden sein: Ende 2023 hat er einen klaren juristischen Sieg gegen einen Investor errungen, der die Kleingärten verdrängen wollte.


Rückgabe: die leerstehenden Parzellen der KGA Querbeet sollen wiederbelebt werden. 

KGA Querweg darf bleiben

Die Kleingartenanlage Querweg in Karlshorst mit ihren 21 Parzellen bleibt nun erhalten. Die Wallensteinstraße Living GmbH, die das Gelände von der Bahn gekauft hatte, ist mit der Kündigung des Pachtvertrages vor Gericht gescheitert – bereits in zweiter Instanz. Sie muss die Fläche an die Bahn-Landwirtschaft zurückgeben.


Bereits 2020 waren hier die Parzellen gekündigt worden. Parallel zur Kündigung des Zwischenpachtvertrags bot der Eigentümer allen 21 Pächterinnen und Pächtern zusätzliche Abfindungen an, wenn sie von sich aus ihren Pachtvertrag mit der Bahn-Landwirtschaft kündigen und ihre Gärten direkt an ihn übergeben. Alle bis auf drei ließen sich auf den Deal ein.

Der Fall sorgte mehrfach für Aufsehen in den Medien – zum einen, weil sich der Bezirk Lichtenberg aktiv für die Kleingärten einsetzte und eine Sicherung per Bebauungsplan in Aussicht stellte. Zum anderen, weil die verbliebenen Kleingärtnerinnen und Kleingärtner hartnäckig die Stellung hielten, obwohl ihnen der Eigentümer Strom und Wasser sperrte. Über die unbeugsamen „Kleingartenrebellen“ in Karlshorst berichtete zuletzt eine Reportage, die der Fernsehsender Arte im Januar ausstrahlte.


Nun entschied das Kammergericht Berlin in letzter Instanz: Die Immobilienfirma ist an den Pachtvertrag gebunden, den sie von der Bahn übernommen hatte. Sie muss die 18 Parzellen zurückgeben und vorher die übernommenen Anlagen und den Aufwuchs entfernen. Die komplett beräumte Fläche wird neu aufgeteilt und wieder an Kleingärtner vergeben, wie Meinert Klemm ankündigt.

Ein aufwendiger Neustart für die KGA Querweg also – und ein kleiner Triumph für das Berliner Kleingartenwesen über die Immobilienbranche. Aber einer, der nicht selbstverständlich ist. Die Bahn-Landwirtschaft und die Bezirksverbände der Gartenfreunde haben genügend Konflikte mit Investoren erlebt, die weniger glücklich verliefen. „Jeder Fall ist im Grundsatz gleich, aber die Bedingungen sind immer anders“, weiß Meinert Klemm.

Kahlschlag: Die ehemalige KGA Walkürenstrasse, Ende 2022 geräumt.

An Nutzungsmängeln gescheitert

Gleich neben der KGA Querweg ist zu sehen, wie eine Niederlage aussehen kann: Dort liegt jetzt ein leergeräumtes und planiertes Gelände, wo sich bis 2022 die KGA Walkürenstraße mit ebenfalls 21 Kleingärten der Bahn-Landwirtschaft befand. Der Eigentümer ist die Walkürenstraße Living GmbH, die mit demselben Geschäftsführer und derselben Adresse firmiert wie die Wallensteinstraße Living GmbH. In dieser Anlage konnte sie der Mehrzahl der Unterpächter bei der Kündigung nachweisen, dass sie keine richtigen Kleingärtner sind: Offensichtlich wurden die Parzellen überwiegend nicht nach den Vorgaben des Bundeskleingartengesetzes genutzt. Die Pächter zeigten sich uneinsichtig, obwohl die Immobiliengesellschaft bereits zuvor einen Kündigungsversuch unternommen hatte, berichtet Meinert Klemm.


Gärten verwildern seit Jahren

Ein ähnlicher Fall in Marzahn: Hier erwarb die Klüsserather Weg Grundstücks GmbH mit demselben Sitz wie die beiden vorgenannten Immobilienfirmen ebenfalls Kleingartenland von der Bahn. Pächter war der Bezirksverband Marzahn der Gartenfreunde. Dessen Kleingartenanlage Sorgenfrei I wurde 2020 bis auf fünf Parzellen gekündigt. Auch hier rechnete sich der Bezirksverband wenig Chancen bei einem juristischen Schlagabtausch aus. „Planungsrechtlich war die Fläche seit langem für Wohnbebauung vorgesehen“, sagt Gert Schoppa. Der Präsident des Landesverbandes ist Schatzmeister im Bezirksverband Marzahn. Die 24 Kleingärten in Sorgenfrei I wurden also aufgegeben, 2021 wurden fünf weitere Parzellen in der benachbarten KGA Aufbau vom selben Eigentümer gekündigt. Doch geschehen ist seither nichts. „Seit Jahren sind die Parzellen verlassen und verwildern. Es wurde nichts beräumt und von Baumaßnahmen ist erst recht nichts zu sehen“, wundert sich Schoppa. „Wir haben die Befürchtung, dass es hier um Spekulation geht und die ungenutzte Fläche einfach mit möglichst viel Gewinn weiterverkauft werden soll.“

Auf eine Anfrage des „Gartenfreunds“, was mit den Flächen der ehemaligen Anlagen Sorgenfrei I und Walkürenstraße geplant ist, haben die Eigentümer nicht geantwortet.


Noch offen ist der Fall einer Teilkündigung im Bezirksverband Lichtenberg: Eine private Eigentümerin hat 2023 für zehn Parzellen in der KGA Blockdamm den Zwischenpachtvertrag gekündigt. Der Bezirksverband hält dies allerdings für unbegründet und hat einen Rechtsanwalt mit der Wahrung seiner Interessen beauftragt. Was die Eigentümerin mit der Fläche vorhat, ist dem Verband nicht bekannt. Allerdings wurden vor Jahren bereits fünf Parzellen dieser Anlage gekündigt, um Wohnungen zu bauen, wie der 1. Vorsitzende Wolfgang Beyer berichtet.

Umwandlung in Erholungsgärten

Ein klares Ziel verfolgt dagegen die Gardenio Stadtgärten Grundbesitz GmbH & Co. KG. Die bundesweit agierende Firma mit Sitz in Meerbusch kauft Kleingartenflächen auf, um sie in Erholungsgärten umzuwandeln. Zuletzt hat sie in Berlin zwei Anlagen gekündigt – mit gemischtem Erfolg. Im Fall der KGA Frühauf II (30 Parzellen) in Karlshorst war wiederum die Bahn-Landwirtschaft erfolgreich vor Gericht. Im Dezember entschied das Landgericht Berlin, dass der Pachtvertrag mit Gardenio bestehen bleibt. Dagegen ist das Unternehmen aber in Berufung gegangen – der Ausgang des Verfahrens ist noch offen.


Auch im Bezirksverband Hellersdorf tritt Gardenio in Erscheinung – in der KGA Mahlsdorf Nordspitze. Hier wurde das Unternehmen vom bisherigen Eigentümer als Erbpächter eingesetzt. Die Kündigung des Pachtvertrags folgte im vergangenen Jahr. Der Bezirksverband habe keine rechtlichen Schritte dagegen unternommen, so Dr. Norbert Franke, 1. Vorsitzender der Hellersdorfer Gartenfreunde. Denn die 42 Nordspitze-Pächter hätten sich letztlich aus freien Stücken für den Status als Erholungsgärtner entschieden und Einzelpachtverträge mit Gardenio abgeschlossen. „Sie haben sich von den Versprechungen des Erbpächters locken lassen: keine Vorschriften zur gärtnerischen Nutzung, dauerhaftes Wohnrecht und frei aushandelbare Abstandszahlungen bei Parzellenaufgabe“, erklärt Franke. Gardenio-Geschäftsführer André Oliver Westhoff bestätigt, dass alle Nordspitze-Gärtner bis auf einen Direktverträge mit Gardenio abgeschlossen haben. „Das zeigt, wie beliebt unser Angebot ist“, sagt er. „Die Nutzer fühlen sich flexibler und freier als im klassischen Kleingarten.“


Die strikten Auflagen des Bundeskleingartengesetzes zu kleingärtnerischer Nutzung und Laubengröße seien veraltet und würden in der Praxis selten gelebt, findet der Immobilienunternehmer, der noch über weitere Kleingartenflächen in Berlin verfügt. „Die Pächter sollen die Gärten nach ihren Vorstellungen nutzen können. Häufig steht der Erholungswert heute im Vordergrund.“

Was der Gardenio-Chef nicht sagt: Das Bundeskleingartengesetz bringt nicht nur Auflagen für die Kleingärtner mit sich, sondern bietet auch den dauerhaften Schutz vor Kündigung und die Gewähr für einen sehr günstigen Pachtzins – beides verliert, wer sich auf die vermeintliche Freiheit eines Erholungsgartens einlässt.


Pacht steigt auf ein Vielfaches

Der geringe Pachtzins erscheint Westhoff ohnehin nicht mehr zeitgemäß – gerade in Großstädten wie Berlin: „Bei uns zahlen Sie für die Parzelle je nach Lage und Größe 50 bis 80 Euro im Monat – so viel wie für einen Parkplatz.“ Zum Vergleich: Der reine Pachtzins für einen 300-m2-Kleingarten beläuft sich auf rund 9 Euro monatlich.


Dass Erholungsgärten zu Marktpreisen gehandelt werden, stellt man auch in der gekündigten Kleingartenanlage Mahlsdorf Nordspitze fest: „Dort zahlen sie jetzt das Vierfache“, sagt Verbandschef Norbert Franke, „und bei Neuverträgen wird das sicher noch mehr werden.“


In diesem Fall wird besonders deutlich, was für alle bedrohten Anlagen gilt: Die Kleingärtnerinnen und Kleingärtner selbst tragen besondere Verantwortung für die Zukunft ihrer Parzellen. Denn durch ihr Verhalten und die Bewirtschaftung ihrer Gärten entscheiden sie mit darüber, ob die Flächen vor dem Zugriff von Spekulanten gerettet werden können. „Wir dürfen nicht zulassen, dass Kleingartenland für immer verloren geht, weil die jetzigen Pächter sich gegen eine kleingärtnerische Nutzung entscheiden“, mahnt Landesverbandspräsident Gert Schoppa. „Alle Kleingartenflächen in Berlin müssen als Kleingärten erhalten bleiben – das ist eines unserer grundlegenden Ziele als Verband.“


Klaus Pranger, Redakteur Berliner Gartenfreund, Verlag W. Wächter


Dieser Artikel erschien in der April-Ausgabe 2024 der Verbandszeitschrift Gartenfreund, Regionalausgabe Berlin, Seite 22-23, und mit freundlicher Genehmigung des Verlags W. Wächter auch hier online.  


Fotos: Alexandra Immerz